zurückLotte war im Februar 2004 auf SOS Beauceron ausgeschrieben.
Hier ist ihr damaliges Portrait zu finden.
Lotte - die Geschichte einer schönen Spanierin
Ein vierter Hund? Nein - auf gar keinen Fall. Einen zusätzlichen Vierbeiner zu unserer misstrauischen
Malinois-Schäfermischlingshündin Foxi, der knapp zweijährigen Welsh-Terrier-Mixhündin Cassis und dem etwas senilen,
12jährigen Schäferrüden Sherry aufzunehmen, war für uns kein Thema. Foxi und Sherry waren Tierheiminsassen gewesen,
Cassis war aus einer nicht geplanten Liaison bei Nachbarn entstanden, und irgendwie hatten wir das Gefühl mit unserer
5jährigen Tochter, zwei Katzen und drei Hunden komplett und ausgelastet zu sein.
Da ich jedoch nach wie vor daran dachte, irgendwann einmal einen Welpen einer Gebrauchshunderasse auszubilden, schenkte
mir mein Mann ein Buch über Hunderassen. Sofort gefiel mir der Beauceron. Nachdem ich mehr über sein Wesen und
Temperament gelesen hatte, wollte ich im Internet alles über diese Rasse erfahren. Gesagt, getan. Kurz vor dem
Abschalten des PC sah ich noch den Hinweis "Beaucerons in Not" und - wie fatal - öffnete die Seite. An erster Stelle
sah mich Lotte an, ein wirklich verzweifelter, verängstigter Blick, aber gütige Augen. Ich las ihre Geschichte: Sie
war offensichtlich misshandelt und mit schwerverletztem Bein auf einer Landstrasse aufgefunden worden. Man hatte sie
in eine Tötungsstation in Malaga, den sogenannten El Refugio gebracht, wo sie grausam vergast werden sollte. Ich sass
tränenüberströmt da. Sofort rief ich meinen Mann an und nach kurzem Gespräch war klar, Lotte muss da raus. Alle unsere
Vorsätze, wie: kein vierter Hund, kein erwachsener Hund, und vor allem keine weitere Hündin, waren über Bord geworfen.
Erfahrung mit ausländischen Tieren hatten wir gar keine. Der erste Kontakt erfolgte mit Helene Küng, die sofort eine
Verbindung zwischen uns und dem deutschen Tierschutz, Rita Hild, herstellte. Dort erfuhren wir, dass Lotte mit anderen
Hunden unverträglich sei, ob sie mit kleineren Kindern klar kam oder je mit Katzen in Berührung gekommen war, wusste
man nicht. Wir berichteten von Foxi, die vor 2 ½ Jahren zu uns gekommen war und zu Beginn auch völlig unverträglich mit
Artgenossen gewesen war. Nach anfänglichen Schwierigkeiten kam sie mit Cassis aus, der Senior Sherry, der dann mit 11
Jahren noch von uns aufgenommen worden war, war kein Problem mehr für sie. Unser Gefühl sagte uns, dass wir es schaffen
könnten. Dass Lotte leishmaniose-positiv war, wussten wir bereits aus dem Internet. Nach mehreren Gesprächen mit den
Damen vom Tierschutz in Spanien erhielten wir Besuch vom hiesigen Tierschutz und nach gründlicher Platzkontrolle kam
dann endlich der Bescheid, dass alle einverstanden waren - Lotte durfte zu uns kommen.
Damit standen wir vor dem nächsten Problem. Wie würde Lotte von Malaga in die Schweiz reisen? Mal eben schnell
hinfliegen und sie abholen – wer kann das schon. Also musste ein "Flugpate" gefunden werden. Ein Flugpate ist ein
Tierfreund, der sich bereit erklärt, auf seinem Rückflug pro forma ein Tier mitzunehmen. Das heisst, er geht absolut
keine Verpflichtungen oder Risiken ein, denn das Tier wird ihm mit allen einwandfreien Papieren in der Flugbox zum
Flughafen gebracht und bei der Ankunft von seinen überglücklichen neuen Herrchen in Empfang genommen. Leider stellte
sich bald heraus, dass solche Flugpatenschaften in der Schweiz nahezu unbekannt sind. Mit grösstem Engagement von Rita
Hild und Anfragen bei flugpate.com versuchten wir, Lotte so schnell wie möglich zu uns zu holen. Nachdem mehrere
Wochen vergingen und sich einfach keine Lösung abzeichnete, entschlossen wir uns, Lotte auch von einem deutschen
Flughafen abzuholen. Innert weniger Tage war ein Flugpate gefunden, Lotte würde in München ankommen. An einem
regnerischen Sonntagabend fuhr mein Mann mit einem Miettransporter nach München und nahm Lotte in Empfang. Auf dem
Rückweg bekam ich stündlich einen Bericht über Lottes Befinden. Ich war schrecklich aufgeregt. Endlich, morgens um
03.00 Uhr, kamen die beiden erschöpft an. Lotte kam vorsichtig aus ihrer Flugbox heraus und nach einem kurzen
Gassi-Gehen wollten wir nur noch schlafen. Lotte sah das allerdings ganz anders. Sie weigerte sich beständig, unser
Haus zu betreten. Leckerlis, gutes Zureden, Wurstscheiben, all das half nichts. Nach 15 Minuten versuchten wir es mit
Käse und siehe da, das war wohl zu verführerisch. Mit mehreren Stückchen lockten wir sie ins Haus. Dort wartete der
nächste Horror auf Lotte. Vor ihr stand der grosse schwarze Senior, gefolgt von einer gar nicht erfreuten Foxi. Doch
wer vier Monate Tötungsstation unter 750 Hunden überlebt hat, kommt auch mit zwei verwöhnten Artgenossen klar. Nach
imposantem Knurren war klar, Lotte würde hier zukünftig Chefin sein.
Die Nacht war sehr kurz. Schon früh morgens wollte unsere Tochter Chantal unbedingt die Neue sehen. Sofort merkten wir,
wie viel Angst Lotte vor schnellen Bewegungen hatte. Doch bereits am Mittag kam die Wende: Chantal hatte einen
heftigen, altersgemässen Wutanfall und sass heulend da. Lotte kam vorsichtig zu ihr, legte den Kopf in Chantals Schoss
und leckte ihr die Tränchen von der Wange - das Eis war gebrochen. Kurz danach kamen schon die nächsten Neugierigen:
unsere beiden Kätzinnen. Die sonst so vorsichtigen Samtpfötchen liefen schnurstracks zu Lotte, und sie leckte ihnen
über's Gesicht. Das war weit mehr, als wir erwartet hatten.
Nun machten wir uns an Lottes Unterlagen. Doch weder waren die dringend benötigten Medikamente dabei noch die
Ergebnisse der letzten Blutanalysen. Lotte zu einem Tierarzt zu bringen war unmöglich, sie machte einen Riesenbogen
um jedes Auto, vor allem wenn der Kofferraum offenstand.
Nach dem ganzen Reise- und Umstellungsstress ging es Lotte plötzlich gar nicht mehr gut, sie blutete aus offenen
Pfotenballen, aus einem grossen Loch am Hinterschenkel und aus der Maulschleimhaut. Sie hatte einen akuten
Leishmaniose-Schub. Diese parasitäre Erkrankung wird ausschliesslich durch Sandmücken übertragen und ist deshalb
nicht ansteckend. Obschon wird ihre Pfoten gut verbanden, wurde jeder noch so kleine Spaziergang zur Tortur für sie.
Nach mehreren Telefonaten mit spanischen Tierärzten und Tierkliniken erfuhren wir, dass Lotte ein Medikament namens
Allopurinol benötigte. Doch die hier errechnete Dosis brachte keine Besserung, im Gegenteil. Lotte verliess aufgrund
der Schmerzen das Haus nicht mehr und benutzte unseren Wohnzimmerteppich als Pipiwiese. Stubenrein war sie ohnehin
nicht. Wieder einmal wandten wir uns an Rita Hild, die von Anfang an und bis zum heutigen Tag bei jeder Frage für
uns da war und ist. Sie stellte Kontakt zu einer deutschen Tierärztin, Dr. Silke Otto, her, die nach längerem Gespräch
eine neue Dosierung und einen ganz neuen Ernährungsplan vorschlug. Und siehe da, nach 10 Tagen waren die Pfoten fast
verheilt.
Heute, nach 12 Wochen am Kerenzerberg, ist unsere Lotte ein wahres Prachtstück. Ihr Fell glänzt, sie hat zugenommen,
sie rennt ohne Leine mit "ihrem" Rudel über die Wiesen, die unverträgliche Lotte. Ihre dickste Freundin ist unsere
Cassis. Stubenreinheit war schon nach kurzer Zeit kein Thema mehr. Auch die Medikamente konnten wir mittlerweile
reduzieren.
Auch alle unsere Freunde und Bekannten, die uns zunächst für verrückt hielten, sind inzwischen begeistert von Lotte.
Durch unsere schöne Spanierin haben wir sehr viele interessante und wunderbare Menschen kennengelernt. Wir wissen,
dass unser nächster Hund (allerdings kein fünfter) wieder ein ausländischer Notfall-Hund sein wird.
Der Flugpate für Lotte wurde über die Seite www.flugpate.com
gefunden. Macht doch bitte ein bisschen Werbung für die gute Sache!